2005-01-03 Aktuelles: Kleine Autos, große Sorgen

Kleine Autos, große Sorgen

Welt am Sonntag, www.wams.de, 02. Januar 2005

Mit neuen Werbeideen für den kompakten Forfour will Smart 2006 endlich Gewinne erzielen

von Thomas Imhof, Reinhold Schnupp

Der Ort der Kontaktaufnahme mit dem Publikum ist sorgfältig gewählt. Im historischen, nicht mehr genutzten Terminal fünf des John-F.-Kennedy-Flughafens in New York präsentiert Smart als Sponsor bis zum 31. Januar eine Ausstellung von Designern und jungen Künstlern. Schon im Foyer steht wie zufällig auch ein Smart Fortwo.

Das Modell, das für den US-Markt nicht vorgesehen ist, wirkt für Augen amerikanischer Besucher einerseits wie ein Spielzeugauto, andererseits selbst wie ein Kunstwerk. Das finden auch amerikanische Cops, wie Smart-Mitarbeiter berichten. Mit einigen wenigen Testwagen, die für die Straßen der USA zugelassen sind, wurden sie mehrfach angehalten. Die Polizisten interessierte die Frage, ob der Fortwo denn ein Auto sei.

Die Ausstellung in New York ist von Smart als erster Schritt gedacht, den Markt vorzubereiten auf den Start des Formore 2006. Der kompakte Geländewagen soll in Brasilien gebaut werden und der erste Smart sein, der in den USA unterwegs ist. Doch bei Smart kommt in diesen Tagen vieles anders als geplant.

So sollte der Formore Mitte Januar in Detroit als Studie stehen. Dieses Vorhaben wurde jetzt gestrichen. Der neue Smart-Chef Ulrich Walker will die gesamte Strategie der Kleinwagenmarke überdenken. Der Bau des Modells stehe aber nicht zur Disposition, sagt ein Sprecher des Unternehmens.

Alles andere als planmäßig läuft auch der Absatz der Fahrzeuge. Trotz einer Steigerung im November um 23 Prozent im Vergleich zum gleichen Monat des Vorjahres wird Smart das weltweit geplante Absatzziel von 175 000 verkauften Autos um mindestens 20 000 verfehlen. Bis November waren 126 000 Fahrzeuge verkauft.

Mit schlechten Nachrichten sind Smart-Mitarbeiter unterdessen vertraut. Seit Einführung der Marke schreibt das Unternehmen rote Zahlen. Der aus dem Amt geschiedene Daimler-Chrysler-Konzern-Finanzvorstand Manfred Gentz stellte sogar die Existenz der Marke in Frage.

In einem Mitarbeiterbrief beruhigte Ulrich Walker: "Smart verdient immer noch kein Geld, das ist richtig. Aber unsere Existenz ist nicht gefährdet. Das haben mir Jürgen Schrempp (Daimler-Chrysler-Konzernchef, die Redaktion) und Eckhard Cordes (Chef der Mercedes Car Group) im persönlichen Gespräch bekräftigt", schrieb der neue Chef.

Wie der von Mitsubishi zu Smart gewechselte Manager die Daimler-Chrysler-Marke für eine bessere Zukunft ausrichten will, ist gegenwärtig unklar. Den Verzicht auf die Präsentation der Formore-Studie in Detroit begründet er mit der Schnellebigkeit des US-Marktes. Smart-Sprecher Heinz Gottwick sagt: "Wir wollten fast zwei Jahre vor dem Serienanlauf nicht Erwartungen schüren, die wir dann nicht bedienen können."

Walker erkennt bei Smart zuviel blinden Aktionismus, die hektische Betriebsamkeit bei der Eroberung neuer Märkte und der Präsentation neuer Modelle ist ihm suspekt. Smart-Modelle können Interessenten schon in 36 Ländern erwerben, darunter in Malaysia und Rumänien.

Walker läßt in den nächsten drei bis vier Monaten die Produkt- und Vertriebsstrategie der Kleinwagenmarke in Arbeitsgruppen noch einmal auf den Prüfstand stellen. Es geht um die künftigen Markenwerte, die klare Abgrenzung zu Mercedes-Produkten, aber auch um die Frage, in welcher Form der Premiumanspruch Smarts innerhalb des hart umkämpften Kleinwagenmarkts künftig noch durchsetzbar ist. Smart-Autos sind in der Regel teurer als die Klassengegner, ohne einen Mehrwert zu bieten. Die potentiellen Kunden sehen das offenbar auch so. Smart droht für 2004 ein Verlust zwischen 400 und 500 Millionen Euro. Das sind Zahlen, die bei Smart nicht kommentiert werden. Walker aber gibt zu, daß die Profitabilität immer noch ungenügend sei.

Besonders stark eingebrochen ist der Absatz des Smart Roadster. Nach 20 000 verkauften Fahrzeugen 2003 wurden europaweit 2004 nur noch 13 000 Kunden für das spaßige, aber teure und unpraktische Spielzeug gefunden. "Der Markt für diese Autos ist zur Zeit eine schiere Katastrophe", sagt ein Smart-Sprecher resignierend.

Aber von einer Krise zu sprechen, lehnt Designchef Hartmut Sinkwitz ab. Im Vergleich etwa zum Konkurrenten Mini Cooper verfüge Smart nicht über eine ähnliche Tradition, und beim Mini seien die Kunden durch massive Werbung erkauft worden, glaubt Sinkwitz. Smart plant nun seinerseits eine PR-Offensive.

Die Mercedes-Hausagentur Springer & Jacoby wird durch die Berliner Agentur Aimaq, Rapp, Stolle ersetzt. "Bei Springer & Jacobi waren wir immer nur der Juniorpartner, Mercedes-Benz spielte die erste Geige", sagt dazu ein Smart-PR-Mitarbeiter. Zu besseren Geschäften sollen ab sofort auch Mercedes-Benz-Händler und -Niederlassungen beitragen. Auch sie verkaufen nun Smart-Produkte und sollen dadurch die viel zu geringe Zahl von 120 deutschen Smart-Stützpunkten vergrößern. Die Absicht dabei ist auch, daß Smart als Marke näher an Mercedes gerückt wird. Wer fortan einen größeren Wagen fahren möchte, soll nach dem Smart zu einem Fahrzeug mit Stern greifen. Anlaß zur Hoffnung auf bessere Zeiten bieten der Absatz des Zweisitzers Fortwo und der im April 2004 gestartete Forfour.

Vom sechs Jahre alten Zweisitzer wurden rund 80 000 Stück hergestellt. Wie der Nachfolger aussehen könnte, ist noch unklar. Chefdesigner Sinkwitz sagt, daß der Fortwo nur schwer zu verbessern sei. Darum sei auch mit einem längeren Lebenszyklus als die üblichen sieben Jahre zu rechnen.

Der Forfour liegt mit fast 60 000 Einheiten rund 20 Prozent über den internen Planungen. Allerdings gelangten nur 36 500 Autos in Kundenhände, der Rest sind Vorführwagen und sogenannte "Gruppen-Verkäufe".

Das alles ist zum Leben zuwenig. Für 2005 setzt Smart mangels eines komplett neuen Modells auf attraktive Sonderserien. In Genf wird im März eine sportliche, 175 PS starke Forfour-Version des Veredlers Brabus debütieren. Sonst werden kurzfristig wohl nur Finanzierungsangebote als Lockmittel für Abhilfe sorgen können. Diese Maßnahmen werden jedoch kaum dazu führen, in diesem Jahr wie ursprünglich geplant in die Gewinnzone vorzustoßen. Schwarze Zahlen visiert Ulrich Walker nun für 2006 an.

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